Nachtzug nach Lissabon von Pascal Mercier
vom 24. März 2008 um 00:00 von Markus Slobodeaniuk
„Wenn es so ist, dass wir nur einen kleinen Teil von dem leben können, was in uns ist — was geschieht mit dem Rest“, so beginnt die Faszination der Hauptfigur für das Leben einer Arztes, der in der Portugieschen Diktatur im Widerstand seinen Weg versuchte.
Das Buch ist aberwitzig in seinen Bildern und auch der Geschichte. Die Botschaften, die es vermittelt, sind zumeist von beeindruckender Deutlichkeit, von der Verschränkungen menschlichen Verhaltens in sich selbst, in die Qual der moralischen Codierung, die von der Gesellschaft mitgegeben wurde und es schwer macht, über die Vernunft und die Freiheit des eigenen Geistes für die meisten Figuren der Geschichte zu einem Weg zu finden, der ihr eigner ist.
Was mir nicht gefallen hat (oder ich einfach zu unwahrscheinlich fand), ist die Sache, dass alle Figuren aus der Vergangenheit, die die Hauptperson besucht um das Leben von Prado, dem Arzt, nachzuleben, ihm mit offenen Armen entgegentreten und erzählen von den Dingen von damals, auch von Dingen, die sie untereinander anscheinend nie geäußert haben, obwohl sie nah beeinanderwohnen und sich – zumindest prinzipiell – kennen. Was mir gefallen hat, ist die Art einige Dinge zu Ende zu denken, die Rede von Prado bei seinem Abschluss, die Verwicklung in sich selbst der Hauptfigur und wie man merkt, dass das Annähern an das Leben eines Anderen die eigene Existenz stark beeinflusst. Alles in allem ist die Erzählung weitläufig und doch voller prägnanter Momente – eine moralische Codierung an sich genau wie die, die sie eigentlich ablehnt.
Ein Buch mit dem Bedürfnis nach viel Zeit, ob der gewaltigen Inhalte und der ausschweifenden Erzählweise. Zu lesen in mehreren Schritten, denn den Rest, den wir leben können, gibt es nicht – wenn man zurückschaut, sollte es nichts geben, was man bereut, nicht getan zu haben. Unterhaltung für mehrere Tage.
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