Anleitung zum Sinn des Lebens
vom 22. November 2002 um 11:36 von Anonymous1
aus: "Mail-Gespräche zwischen zwei Unbekannten" von Anonymous1
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Wir sagten, dass aufgrund der stets beschränkten Sichtweise nie alle Fragengelöst werden können.
Dies bedeutet, dass man auf die Frage „Mit welchem Tun und Lassen erfülle ich den Sinn meines Lebens“stets nur Teilpunkte erreichen kann. Dies ist doppelt bitter für Leute diesich der Suche nach der totalen Erleuchtung verschrieben haben, zumal mansich als Erleuchteter zwar gut fühlt, aber nicht übermenschlich.
Wir zwei wissen ja jetzt wovon wir reden.Wenn man also den goldenen Weg des Lebens nur auf Teilstrecken gehen kann,bleibt also nur noch die Frage: Wie viel nehme ich davon mit? Dies erinnertbeim ersten Lesen an unsere bereits gefundene Aussage „Beim goldenenMittelweg kommt es auf den goldenen Mittelweg an, bei dem es wiederum…“.Geändert hat sich jedoch unsere Einstellung. Während wir an unsererWeggabelung bisher verzweifelt abwägten, überlegten oder versuchten einenKompromiss zu finden indem wir einfach an der Gabelung chillen, gehen wirnun munteren Herzens dorthin, wohin es uns als erstes zieht. Können wir auchdies nicht entscheiden, werfen wir eine Münze und hüpfen federnden Schrittesund befreit von Entscheidungsnöten den vom Zufall (oder Vorsehung, in jedemFall von der Münze) gewiesenen Weg. Wir genießen mit leuchtenden Augen undaufgestellten Nasenflügeln die wunderbare Landschaft, ohne einenängstlich-deprimierten Gedanken an die eventuell vorhandenen nackt badenden Schönheiten zu verschwenden, die uns entlang dem anderen Weg erwartet hätten.
Nun werden all die frustrierten Kritiker, die feng-shui- undaskeseerleuchteten Reiswaffelkauer, bissig einwenden, dass dies nichtsweiter ist als ein mit dem euphemistischen Pinsel gemaltes Bild mit demTitel „Lebe für den Augenblick“, welches eine geringe (Farb-)Tiefe und einenäußerst beschränkten Horizont aufweist. Auch die Perspektive erinnert eheran Keith Harrings rote zweidimensionale Männchen als an das tiefgründige“Der Schrei“.
Das K.O.-Argument für die vollbärtigen Visagen dieser entrücktenVollzeit-Philosophen ist die Tatsache, dass der Weg das Ziel ist, auf demsie schon zu viel und zu weit gewandelt sind und den Wald vor lauter Bäumennicht sahen. Mit unserem vor drei Tagen entzündeten Licht erleuchten wir dieHöhle in die sie sich zum Denken zurückgezogen haben und werden es – ersteinmal mit genügend Holz und Sauerstoff genährt – zu einem gleißenden Feueranheizen, welches die wahre Botschaft, den eigentlichen Sinn des Lebens einfür alle Mal auf ihre, von Pseudo-Erleuchtung verschleierte Netzhaut brennenwird.Um den Mate-Tee-trinkenden Sozialarbeitern den Alltag zu erleichtern,sollten wir nun an alltäglichen Entscheidungssituationen verdeutlichen, nachwelchen Kriterien eine Entscheidung getroffen werden soll. Denn noch istunser Kerzchen noch nicht so luzide, dass es dem Hippie den Weg vom heutigenTag bis zum selbstbemalten T1 erleuchtet, oder dem Yuppie zum tornadorotlackierten T4. Die erste Lektion, dass beide Vehikel vielleicht nie erreichtwerden, sondern eventuell gerade mit Mühe und Not der nicht-anspringendeJapaner, befindet sich bereits in der Adaptionsphase, d.h der Weg zur Akzeptanz dieser Tatsache wird geebnet.
An dieser Stelle -, den alltäglichen Entscheidungen, – baue ich jedoch auf Deine Mithilfe. Ich gelobe von nun an nicht an jeder Weggabelung meinen Wanderführer "Werte, Normen und Ideale oder ‚Wie man Luftschlösser baut’" hervorzuholen und verzweifelt darin zu blättern… Mir ist klar, dass nackte Schönheiten UND schöne Landschaft nicht unbedingt beides geht, aber eines davon "klage" ich quasi schon vom Leben ein.
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